Fluch und Segen für unsere Wirtschaft

AUSGABE 09 | 2020
Die Insolvenzantragspflicht wird (wahrscheinlich) weiter ausgesetzt

Gesunde Unternehmen stehen im Wettbewerb zu „Unternehmen in Schieflage“ und ziehen diese u.U. sogar mit herunter. Aktuell wird im Bundestag eine weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende März 2021 verhandelt. Vielleicht ist das Gesetz mit Erscheinen dieses Heftes bereits verabschiedet.

Viele Unternehmen haben Liquiditätsengpässe, die unter normalen Umständen schon lange zur Insolvenz hätten führen müssen. Bis zum 30. September 2020 wurde zunächst die Antragspflicht ausgesetzt. Anwälte für Insolvenzrecht und Berater, die Unternehmen aus einer solchen Lage heraus professionell begleiten, standen bereits für anstehende Einsätze parat. Mit dieser weiteren Fristverlängerung kommt es zunächst nicht zur befürchteten Insolvenzwelle im Herbst, sondern das „Sterben auf Raten“ hält an, und weitere Unternehmen kommen hinzu.

Parallel rechnen sich viele ihre Situation durch die Verlängerung des möglichen Bezuges von Kurzarbeitergeld auf 24 statt 12 Monate weiter schön. In den Plänen für 2021 wird sie bereits aktiv mit eingerechnet. Fakt ist aber, dass ohne diese Maßnahmen die Zahlen vieler Unternehmen sehr schlecht aussähen und die Arbeitslosigkeit extrem steigen würde. Die Insolvenzwelle wird also erst im Frühjahr kommen, und ich sage voraus: Es wird weitere Verlängerungen bis nach den Bundestagswahlen im Herbst 2021 geben. So sehen die Statistiken für die aktuelle Koalition im Verhältnis sehr gut aus. Allerdings werden unsere Nachfolgegenerationen noch sehr lange dafür arbeiten müssen, diesen Schuldenberg abzubauen.

Ein weiterer Effekt der aktuellen Entscheidungen: Durch Wettbewerbsverzerrungen werden auch die gesunden Unternehmen in eine Abwärtsspirale gezogen. Warum? Die angeschlagenen Unternehmen haben schon lange einen Preiskampf gestartet, um überhaupt an die wenigen neuen Aufträge im Markt zu kommen, die zumindest die laufenden Kosten auffangen sollen. An Gewinn denkt man hierbei nicht mehr. Die (noch) gesunden Unternehmen sehen sich im Wettbewerb und müssen ihre Preise ebenfalls reduzieren, auf Gewinne verzichten und Reinvestitionen verschieben. Sie werden auf Sicht selbst krank, denn vom reinen Geldwechseln kann ein Unternehmen nicht leben – es muss Gewinn erwirtschaften!

Welche Alternativen haben wir? Ich kann es nicht sagen! Auch wenn man das alternative Szenario durchspielt, d.h. das Kurzarbeitergeld jetzt auslaufen und ab Oktober wieder die Insolvenzantragspflicht gelten lassen würde, wäre das Ergebnis eine gesamtwirtschaftliche Katastrophe. Die Arbeitslosen müssen wie die Kurzarbeiter bezahlt werden; nicht bezahlte Rechnungen werden auch in der Insolvenz nicht beglichen, und Lieferanten bleiben erst recht auf ihren Forderungen sitzen. Eine schlaue Patentlösung gibt es also nicht, und eine Entscheidung der Regierung ist besser als keine.

Ich denke nur, dass durch ein „Ende mit Schrecken“ die Kreativität und Innovationskraft unserer Wirtschaft schneller gefordert würde als in dem aktuellen Siechtum. Aktuell warten meiner Meinung nach noch zu viele auf das „Wunder“ bzw. das „Aufwachen nach einem bösen Traum“. Natürlich konnte niemand damit rechnen, dass die wichtigen Branchen Automotive, Luftfahrt und Schiffbau gleichzeitig in die Knie gehen. Wir müssen aber nach Alternativen suchen, denn diese Branchen werden sich nicht schnell erholen, sondern die aktuellen Subventionen (z.B. 9 Mrd. EUR für die Lufthansa) und noch mehr aufbrauchen.

Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi

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