Ein Ende dem Greenwashing. Selber handeln!

AUSGABE 07-08 | 2019

Aktuelle Berichte zum CO2-Greenwashing größerer Konzerne ärgern mich extrem. Wie die Ablassbriefe der katholischen Kirche vor der Reformation, haben mehr oder weniger seriöse Unternehmen ein neues Geschäftsmodell entwickelt: „Kauft unsere Zertifikate, und wir garantieren Euch, in einem entfernten Land Bäume zu pflanzen.“ – Abgesehen davon, dass allein die Verwaltung derartiger Projekte Millionen verschlingt, sollten wir erst einmal vor der eigenen Tür kehren.

Können wir auf Werksparkplätzen nicht mehr Bäume anpflanzen? Müssen Industrieflächen wüsten- oder golfplatzähnlich aussehen? – Ja, Laub macht Arbeit. Regenrinnen und Luftfilter müssen sauber gehalten werden. Die logische Kette zur Reduzierung von CO2-Ausstoß lautet „Vermeiden, Vermindern und erst dann erst Ausgleichen“. Arbeit und Leben müssen enger verknüpft, Stoffkreisläufe in Unternehmen intensiv analysiert werden. Dazu zwei sehr positive Beispiele, die ich erleben durfte.

Die Faber-Castell AG erstellt seit vielen Jahren regelmäßig einen TÜV-zertifizierten Nachhaltigkeitsbericht und bemüht sich um Klimaneutralität. Der aufwändige und kostenintensive Bericht zwang alle Bereiche, intensiv über das eigene Verhalten zu diskutieren. Bewertet wurden auch die Kunststoff-Kreisläufe bis u.a. zu einem Projektvorschlag, Stifte aus recycelten Kunststoffen herzustellen. Gescheitert ist das Projekt seinerzeit (2013) an der mangelnden Akzeptanz der Kunden, die optische Einschränkungen der Farbe und des Glanzes z.B. an Textmarkern nicht akzeptieren wollten. Dies mag heute anders sein. Das Holz für Blei- und Kosmetikstifte wird ausschließlich aus zertifizierten und größtenteils eigenen, neu aufgeforsteten Wäldern auch in Südamerika erwirtschaftet. Lokale Bauern dürfen die eigenen Forstflächen zusätzlich nutzen, so dass Holz- und Landwirtschaft eine Symbiose bilden. Holzabfälle nutzt das Unternehmen zur Energiegewinnung.

Während sich Forschungsinstitute wie das WZL der RWTH Aachen oder das Fraunhofer IAO in Stuttgart intensiv mit der „Urbanen Fabrik“ beschäftigen, hat der Getriebe- und Antriebespezialist Wittenstein SE am Standort Fellbach seit Jahren umgesetzt. Die Urbane Produktion liegt direkt neben einem Passivhauswohngebiet. Neben der voll regenerativen Energieversorgung wurden Lärm und Abgase, Abfall und CO2-Ausstoß, Wasser und Abwasser betrachtet. Regenwasser wird gesammelt und für die sanitären Anlagen genutzt, die ständige Entfeuchtung der Luft sorgt für optimale klimatische Bedingungen, die vollklimatisierte Produktion stellt die Stabilität der Prozesse und damit eine außergewöhnlich hohe technische Präzision sicher. Die Mitarbeiter leben zu einem großen Teil in der direkten Umgebung des Werkes und können somit auf die Nutzung von Autos verzichten. Dass das Gesamtkonzept als vorbildlich gilt, unterstreicht die Auszeichnung der Urbanen Produktion durch die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB). Als erstes Gebäude dieses Typs hat das gesamte Werk das Zertifikat in Platin erhalten.

Wie so häufig stammen die Positiv-Beispiele aus familiengeführten, mittelständischen Unternehmen, die sich derartige Initiativen leisten wollen. Vielleicht kann unsere Industrie mehr aus sich heraus Initiative zeigen und mit Vorzeigeprojekten, die wir wirklich sehen und begreifen, weltweit glänzen. Der Erwerb von Ablass-Zertifikaten ist jedenfalls keine Lösung!

Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi

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